„Mehr Kinder? Aber nur deutsche!“ - Die Familienpolitik der AfD

Die Kritik an gleichstellungspolitischen und feministischen Errungenschaften unserer Gesellschaft wird lauter. Die AfD hat sich zum Sprachrohr antifeministischer Strömungen gemacht. Ihre Familienpolitik soll die traditionelle Kleinfamilie stärken und dem „Erhalt des eigenen Staatsvolkes“ dienen. 

Bild eines Schwangerschaftsbauchs mit einer Gechenkschleife umwickelt
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"Deutsche" Kinder als Geschenk? Rechtspopulist*innen vermutet dies, zumindest.

AfD als antifeministisches Sprachrohr

Aktueller Antifeminismus lehnt gleichstellungspolitische Maßnahmen ab und richtet sich gegen damit verbundenen Abbau sozialer Ungleichheit zwischen Geschlechtern und die Vielfalt sexueller Identitäten und Orientierungen. Antifeministische Strömungen sind vielfältig und werden politisch vor allem von der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) vertreten. Ihr Fokus liegt auf einer als Familienpolitik bezeichneten völkischen Bevölkerungspolitik. Damit zusammen hängen Themen wie der angebliche „Lebensschutz“ und ein durch Natur begründetes Bild von Geschlecht und Gesellschaft. Die AfD versucht, die Rolle der traditionellen heterosexuellen Kleinfamilie als Garant gesellschaftlicher Ordnung zu stärken.

Traditionelle Familie soll das „deutsche Staatsvolk“ retten

Diese Positionen werden in verschiedenen Wahlprogrammen der AfD als zentraler Bestandteil vertreten. So steht im Bundestagswahlprogramm 2017[1] das entsprechende Kapitel unter der Überschrift „Willkommenskultur für Kinder: Familienförderung und Bevölkerungsentwicklung“[2]. Gemeinsamer Ausgangspunkt für die unterschiedlichen antifeministischen und antiemanzipatorischen Strömungen ist die Vorstellung, dass das „deutsche Staatsvolk“[3] dramatisch kleiner werde. Diese Entwicklung wird als problematisch interpretiert, als Lösung wird eine Familienpolitik gefordert, die auf der deutschstämmigen heterosexuellen Kleinfamilie beruht. Familie wird ausschließlich verstanden als eine lebenslange eheliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau und deren (gemeinsamen) Kindern. Diese Setzung und ein naturhaftes Verständnis von Geschlecht führen dann zu entsprechenden weiteren politischen Forderungen wie einer Verschärfung des Scheidungsrechts, einer ablehnenden Haltung gegenüber dem sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmungsrecht von Frauen* sowie jeglicher Maßnahmen, die der Geschlechtergerechtigkeit dienen (z.B. geschlechtergerechte Sprache, Gender-Mainstreaming oder Quotenregelungen für Frauen*).

Biologie bestimmt Geschlechterrollen und Staatsverständnis

Die Interpretation von Geschlecht und Geschlechterrollen als „natürlich“ erfüllt mehrere Zwecke: Zum einen besitzen Erklärungen, die mit dem Konzept „Natur“ arbeiten, die Form sogenannter Letztbegründungen. Damit können sie einer argumentativen Auseinandersetzung leicht entzogen werden, ihre Richtigkeit wird nicht mehr angezweifelt. Zum anderen wird ein Zusammenhang zu gesellschaftlicher Ordnung hergestellt: nur wenn Frauen und Männer in die Lage versetzt würden, ihren jeweils „natürlichen“ Anlagen gemäß zu handeln, kann eine gute und stabile Gesellschaft entstehen. Eine der zentralen „weiblichen“ Eigenschaften ist dabei die Reproduktionsarbeit, also das Gebären und Aufziehen von Kindern in Familien.[4] Frauen* werden also als Mütter und damit Hüterinnen des (deutschen) Volkes gesehen.

Gegen Selbstbestimmung und Vielfalt

Aus diesem Verständnis von Staat, Familie und Geschlecht/Geschlechterordnung werden dann weitere politische Forderungen abgeleitet. So lehnt die AfD die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Geschlecht und Geschlechterverhältnissen („Gender-Studies“) als ideologisch und verfassungsfeindlich ab.[5] Weiterhin interpretiert sie die Forderung nach rechtlicher Gleichstellung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt als unrechtmäßiges Anliegen einer „lauten Minderheit“. Dabei werden vor allem Bildungsangebote, die auf Aufklärung und Antidiskriminierung zielen, als „Frühsexualisierung“ und als „ideologisches Experiment“ zurückgewiesen.[6] Entsprechend engagieren sich auch Parteimitglieder und Amtsinhaber*innen bei der „Demo für alle“ und ähnlichen Bewegungen, die gleichstellende Bildungsarbeit skandalisieren und sich für die Diskriminierung beispielsweise homosexueller oder trans* Personen aussprechen.

In der Logik einer auf Bevölkerungswachstum orientierten Familienpolitik stehen auch Forderungen, die unter dem Begriff „Lebensschutz“ zusammengefasst werden können. Damit sind Gegner*innen von Schwangerschaftsabbrüchen gemeint, die entweder aus fundamental-christlichen und/oder national-völkischen Motiven heraus das Recht auf reproduktive Selbstbestimmung von Frauen vollkommen abschaffen wollen. Hier wird die Frontstellung zwischen emanzipatorischen Forderungen, wie sie beispielsweise die Frauen*bewegungen erhoben haben und den politischen Forderungen der AfD besonders deutlich.

Demokratie lebt von Vielfalt

Der Kampf um Gleichberechtigung von Männern* und Frauen* wird seit über 150 Jahren in Deutschland geführt. Vor allem die Frauen*bewegungen haben daran einen wichtigen Anteil, aber auch soziale Bewegungen, die sich mit dem Thema sexueller und geschlechtlicher Vielfalt befassen. Der Schutz von Minderheiten und die Forderung nach Gleichberechtigung sind genuiner Bestandteil einer lebendigen Demokratie. Antifeministische Strömungen und Artikulationen versuchen, die bisherigen Resultate zurückzudrängen. Damit negieren sie, dass allen Menschen in einer Gesellschaft die gleichen Rechte zustehen und fördern das Wiedererstarken patriarchaler Denk- und Handlungsmuster. Demokratie aber lebt von Vielfalt. Familien sind da, wo Kinder sind, wo Menschen aufeinander achten – diese Perspektive gilt es zu schützen. Es gibt keine Gründe, dass Frauen* oder Menschen, die sich anders definieren, faktisch weniger Rechte haben sollen als Männer*. Diesen Weg weiterzugehen, scheint eine wichtige Herausforderung der heutigen Zeit zu sein.

 


[2] AfD (2017): 36ff.

[3] Damit ist gemeint, dass sich Familien deutscher Abstammung zu wenig Kinder bekommen. Je nach ideologischer Ausgangslage ist der Abstammungsbegriff enger oder weiter gefasst.

[4] Als einzige Ausnahme wird die Situation alleinerziehender Eltern verstanden, die allerdings nicht die gleiche Wertigkeit aufweisen wie eine „intakte Familie“. Alleinerziehende sollen nur dann soziale Unterstützung erhalten, wenn sie „unverschuldet“ alleinerziehend sind. Hier wird also eine moralische Bewertung vorgenommen, es wird zwischen „guten“ und „schlechten“ Alleinerziehenden unterschieden.

[5] AfD (2017): 40.

[6] AfD (2017): 41.